Wie ist eine nachhaltige Landwirtschaft realisierbar? – Ein Gastbeitrag von Dr. Theodor Friedrich

Theodor Friedrich, geboren in Venezuela, studierte und promovierte in Agrarwissenschaften und Landtechnik an der Universität Göttingen. Seit 1982 arbeitete er in internationaler landwirtschaftlicher Entwicklung, leitete Projekte in Asien und Lateinamerika und war bei der FAO in Rom tätig. Dort entwickelte er nachhaltige Mechanisierungsstrategien und Standards für Pflanzenschutzmittel-Applikationsgeräte. Er trug maßgeblich zur Definition sowie Verbreitung konservierender Landwirtschaft bei und hat in über 75 Ländern gearbeitet. Nach Positionen als FAO-Botschafter in Kuba und Bolivien ist er seit 2020 im Ruhestand, fördert weiterhin nachhaltige Landwirtschaftspraktiken.

Die Landwirtschaft weltweit steht aktuell vor großen Herausforderungen. Es gibt einige Fragen, die beantwortet werden müssen. Fragen, die uns antreiben, um mit der Natur zu arbeiten und nicht zu stark in sie einzugreifen:

Können wir die wachsende Weltbevölkerung langfristig ernähren? Wie müssen wir unsere kostbaren Böden bewirtschaften, damit sie trotz des Klimawandels ertragreich bleiben? Wie ist es möglich dem Artensterben und den Rückgang der Bestäubungspopulationen und natürlichen Schädlingsregulationsmechanismen entgegenzuwirken? Und wie lässt sich trotz sinkenden Süßwasserreserven und Grundwasserspiegel weiterhin effiziente Landwirtschaft betreiben?

In diesem Gastbeitrag nimmt Dr. Theodor Friedrich Stellung zu diesen Fragen und präsentiert Lösungen, die heute schon realisierbar sind.

Ist eine nachhaltige Landwirtschaft realisierbar?
von Dr. Theodor Friedrich

Die Landwirtschaft weltweit steht vor großen Herausforderungen: einerseits nimmt die Zahl der hungernden Menschen derzeit wieder zu und angesichts der weiterwachsenden Weltbevölkerung müssen wir auch unsere Nahrungsmittelproduktion weltweit steigern. Andererseits werden durch die Landwirtschaft immer mehr Naturkreisläufe zerstört und nicht erneuerbare Ressourcen, wie der Boden, gehen für immer verloren. Letzten Endes leidet auch die Landwirtschaft selbst an diesen Problemen, sei es der Klimawandel mit extremen Witterungsereignissen, sei es das Artensterben mit dem Rückgang der Bestäuberpopulationen und natürlichen Schädlingsregulationsmechanismen, oder auch die sinkenden Süßwasserreserven und Grundwasserspiegel.

Das heißt, wir können es uns nicht leisten, weniger zu produzieren, wir können es uns aber auch nicht leisten, weiter Raubbau an der Natur zu treiben. Leider ist die Natur in vielen Teilen der Welt bereits so weit geschädigt, dass eine nachhaltige Landbewirtschaftung nicht mehr ausreicht, um die Probleme zu beheben. Wir müssen, während wir intensiv produzieren, auch die Ökosysteme wieder regenerieren, was der Begriff „Regenerative Landwirtschaft“ aussagt. Um dieses Dilemma zu bewältigen, wurde 2009 in der Welt Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) die „nachhaltige Intensivierung“ zum obersten strategischen Ziel der Organisation erklärt. Grundlage für dieses Ziel waren die Erfahrungen, die mit der „Konservierenden Landwirtschaft“ (englisch Conservation Agriculture) weltweit gesammelt worden waren. Diese Art der Landbewirtschaftung beruht auf 3 Prinzipien:

  • Keine, oder nur minimale Bodenbewegung. Das heißt, permanente Nullbodenbearbeitung mit Direktsaat für alle Kulturen und möglichst keine Bodenbewegung auch bei anderen Kulturarbeiten.
  • Ständige Bedeckung der Bodenoberfläche mit Pflanzenmulch oder lebenden Pflanzen.
  • Vielseitige und lange Fruchtfolgen für Ackerkulturen sowie Mischkulturen mit Untersaaten für Dauerkulturen und Plantagen; es sollten dabei Leguminosen enthalten sein, ein Fruchtwechsel mit Futterpflanzen und Weiden ist hilfreich, wie auch die Integration von Tierhaltung in Ackerbaubetrieben. Ebenso sind Bäume in der Agrarlandschaft, sowohl auf Acker- wie auf Weideflächen, empfehlenswert.

Diese Art der Landwirtschaft ist gleichzeitig auch die Grundlage für die oben angeführte Regenerative Landwirtschaft und stellt sozusagen das Fundament für die Regeneration zur Verfügung.

Grafik 1: Konservierende Landwirtschaft mit ihren 3 Prinzipien ist die Grundlage der Nachhaltigkeit. Für erhöhte Produktivität können alle verfügbaren Technologien eingesetzt werden in einer Weise und Menge, dass die natürlichen Prozesse nicht nachhaltig gestört oder unterbrochen werden. Fehlt eine Technologie, hat das „Haus“ ein Loch. Fehlt ein Teil des Fundamentes, hat das ganze Haus keine Stabilität.

Ein halbes Jahrhundert praktischer Erfahrungen mit der Konservierenden Landwirtschaft hat gezeigt, dass damit nicht nur die landwirtschaftliche Produktion und die Erträge langfristig gesteigert werden können, sondern gleichzeitig kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Mineraldüngern stark reduziert werden, die Grundwasserreserven werden wieder aufgefüllt, die Landwirtschaft leidet weniger unter Klimaextremen und die Verschmutzung der Gewässer und Umwelt durch die Landwirtschaft verschwinden, während sich die Biodiversität sichtbar verbessert. Darüber hinaus werden die Böden gesünder, und damit auch die darauf produzierten Nahrungsmittel.

Grafik 2: Konservierende Landwirtschaft ist keine Theorie sondern wird in der Praxis weltweit erfolgreich seit mehr als 50 Jahren umgesetzt.

Es gibt allerdings einen Haken. Während die nicht bearbeiteten Böden grundsätzlich weniger zu Verdichtungen neigen und insbesondere der Untergrund jenseits der Reichweiten von Untergrundlockerern von Regenwürmern strukturiert wird, sollte man auch oberflächliche Bodenverdichtungen und Fahrspuren möglichst vermeiden, denn auch diese sowie ihre Behebung wären ein Teil der unerwünschten „Bodenbewegung“. Dies ist bei kleineren Maschinen mit Niederdruckreifen und Reifendruckreglern oder auch Gummiraupen Fahrwerken möglich. Allerdings werden viele terminlich gebundene Arbeiten, wie das Ausbringen von Gülle oder Pflanzenschutzmitteln, sowie die Ernte von Lohnunternehmen mit sehr großen und schweren Maschinen durchgeführt, bei denen sich unter ungünstigen Witterungsbedingungen, wie z.B. im Herbst 2023 oder im Frühjahr 2024, Fahrspuren nicht immer vermeiden lassen. Hier ist die einzige Lösung die permanente Fahrgasse, oder auch in Englisch Controlled Traffic Farming. Bei diesem Verfahren werden die Fahrspuren stets auf die gleichen Spuren konzentriert und der Boden, auf dem die Pflanzen wachsen sollen, wird niemals mechanisch belastet. Studien haben gezeigt, dass allein dadurch die Erträge um 50-100% steigen können, sodass theoretisch selbst mit engen Spurweiten, wie sie z.B. durch den Straßenverkehr vorgegeben werden, erhebliche Ertragssteigerungen erreicht werden können. Die Fahrspuren sind dabei verdichtete Spuren, auf denen die Fahrzeuge wie auf Schienen auch bei schlechten Bodenbedingungen fahren können. Noch besser ist es allerdings, die Spurweiten deutlich zu erhöhen, und gleichzeitig die Breite der Fahrspuren selbst gering zu halten, wie dies bei den Portalschleppern der Fall ist.

Grafik 3: Vergleich der Bodenverdichtung im RTF-, CTF- und WS CTF- System.

Allerdings haben diese bisher das Problem, nicht auf öffentlichen Straßen fahren zu dürfen, was durch eine Langfahreinrichtung gelöst werden kann. Dabei ist NEXAT derzeit das einzige kommerziell verfügbare Model eines solchen Portalschleppers mit weiter Spannweite, der straßentauglich ist und für den Anbaugeräte für alle Arbeiten einer Konservierenden Landwirtschaft verfügbar sind.

Das zeigt, dass eine nachhaltige und sogar regenerative Landwirtschaft auch heute schon umsetzbar ist, und das nicht nur auf kleineren, sondern auch auf sehr großen mechanisierten Betrieben.

Quellen:

Kassam A.H., Friedrich T., Shaxson F., (eds.) (2008): Proceedings of an International Technical Workshop on Investing in Sustainable Crop Intensification: The case for improving soil health. FAO, Rome, 22-24 July 2008. Integrated Crop Management, Vol. 6. 2008.

FAO 2011: Save and Grow, Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rome, pp. 116

Kassam, A. (ed.) 2019: Advances in Conservation Agriculture, Vol. 1: Systems and Science, Burleigh Dodds Science Publishing, Cambridge, UK (www.bdspublishing.com)

Kassam, A. (ed.) (2019): Advances in Conservation Agriculture, Vol. 2: Practice and Benefits, Burleigh Dodds, Cambridge, UK, (www.bdspublishing.com)

Kassam, A. (ed.) 2022: Advances in Conservation Agriculture, Vol. 3: Adoption and Spread, Burleigh Dodds Science Publishing, Cambridge, UK (www.bdspublishing.com)

Derpsch, R., Kassam, A., Reicosky, A., Friedrich, T., Calegari, A., Basch, G., Gonzalez-Sanchez, E., Rheinheimer dos Santos, D. (2024): Nature’s Laws of Declining Soil Productivity and Conservation Agriculture; Soil Security, Volume 14, March 2024, 100127, https://doi.org/10.1016/j.soisec.2024.100127